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Heat recovery

Definition

Wärmerückgewinnung beschreibt die Nutzung überschüssiger Wärmeenergie, die durch industrielle Prozesse und digitale Infrastrukturen — wie Rechenzentren — erzeugt wird. Anstatt diese physische Wärme ungenutzt an die Umgebung abzugeben, wird sie über technische Systeme aufgefangen und für andere Anwendungen genutzt. Ziel ist es, Energieverluste zu minimieren und die Gesamteffizienz zu maximieren.

Wärmerückgewinnung in Rechenzentren — Potenzial, Praxis und Perspektiven

Rechenzentren gelten als kritische Infrastruktur und stellen gleichzeitig immer mehr Wärmequellen dar. Eine gezielte Wärmerückgewinnung ermöglicht es, ihre Abwärme in nutzbare Energie für Gebäude, Stadtviertel oder Fernwärmenetze umzuwandeln. In diesem Artikel werden die technischen Grundlagen, internationale Best Practices und wichtige Strategien für eine erfolgreiche Implementierung erläutert.

Warum gewinnt dieses Thema derzeit an Bedeutung?

Die Energiekrise, steigende Heizkosten und strengere Klimaziele erhöhen das Interesse an einer effektiven Abwärmenutzung. Die Wärmerückgewinnung aus Rechenzentren schafft ökologische und wirtschaftliche Synergien: Sie reduziert die CO₂-Emissionen und erschließt kontinuierlich verfügbare Wärmequellen in städtischen Gebieten.

Mit der Digitalisierung wächst die Anzahl der Rechenzentren ständig, was zu einem enormen Abwärmepotenzial führt. Gleichzeitig sind Technologien wie Luft-Wasser-Wärmetauscher, Wärmepumpen und integrierte Kühl-/Heizkreisläufe inzwischen marktreif und können wirtschaftlich integriert werden.

Politische Initiativen, darunter die EU-Gebäuderichtlinie, sowie nationale Förderprogramme unterstützen ausdrücklich die Nutzung der Abwärme von Industrie und Rechenzentren und machen die Wärmerückgewinnung zu einem Schlüsselelement der Energiewende.

Server und IT-Komponenten erzeugen während des Betriebs kontinuierlich Wärme, die abgeführt werden muss, um einen stabilen Betrieb zu gewährleisten. Anstatt diese Wärme ungenutzt abzugeben, wird sie zurückgewonnen und mithilfe von Kühltechnologien, Wärmetauschern und modernen Steuerungssystemen extern nutzbar gemacht.

Der Stromverbrauch der Server wird fast vollständig in Wärme umgewandelt. Diese Wärme wird durch Luft- oder Flüssigkeitskühlung abgeführt. Luftkühlsysteme haben in der Regel Abwärmetemperaturen von 25 bis 30 °C. Flüssigkeitskühlsysteme erreichen höhere Temperaturen zwischen 55 und 60 °C, was die Wärmerückgewinnung erleichtert. Die erwärmte Flüssigkeit wird in Wärmerückgewinnungssysteme eingespeist, die sie weiterverarbeiten.

Wärmepumpen erhöhen die Temperatur auf einen nutzbaren Bereich von etwa 60 bis 80 °C, ideal für die Einspeisung in Fernwärmenetze. Der Einsatz von KI-gestützten Steuerungen optimiert die Effizienz von Kühl- und Wärmerückgewinnungsprozessen.

Wärmetauscher, Wärmepumpen und Niedertemperaturnetze

Geschlossene Kühlkreisläufe mit Wärmetauschern übertragen Wärmeenergie ohne Flüssigkeitsvermischung. Wärmepumpensysteme erhöhen die Temperatur auf ein nutzbares Niveau. Niedertemperaturnetze können Wärme an Wohngebäude, Stadtviertel und industrielle Anwendungen verteilen. Durch saisonale Wärmespeicherung kann überschüssige Abwärme über längere Zeiträume gespeichert und bei hohem Bedarf abgerufen werden, wodurch die Nutzungsraten erhöht und Spitzenlasten reduziert werden. Digitale Zwillinge des Energiesystems simulieren Betriebsszenarien in Echtzeit und ermöglichen so optimale Regelungsstrategien, Fehlererkennung und ein effizienteres Zusammenspiel zwischen Kühlung, Wärmepumpen, Speichern und Wärmenetz.

Internationale Best Practices

Das OCP entwickelt offene Standards mit dem Schwerpunkt Flüssigkeitskühlung für eine verbesserte Wärmeableitung. Die Initiative bietet Referenzdesigns, die die Integration von Rechenzentren in kommunale Wärmenetze ermöglichen, und fördert die technische Interoperabilität.

ReuseHeat nutzt unkonventionelle städtische Abwärmequellen wie Rechenzentren und fördert deren Integration in Fernwärmenetze. In Pilotprojekten werden praktische Umsetzungen mit Wärmepumpen und Lastmanagement demonstriert. Das Projekt bietet Tools, Modelle und regulatorische Richtlinien für europaweite Anwendungen.

Microsoft betreibt Rechenzentren in Dänemark mit einem integrierten Wärmerückgewinnungssystem. Die Abwärme wird mit Flüssigkeitskühlung aufbereitet und über Wärmepumpen in das Fernwärmenetz eingespeist. Damit werden rund 6.000 Haushalte versorgt. Das Projekt zeigt eine erfolgreiche technologische Planung und Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene.

Pilotprojekt für intelligente Wärmerückgewinnung im Green IT Cube

Im Green IT Cube in Darmstadt setzen etalytics, Rittal und das GSI Helmholtz-Zentrum ein Pilotprojekt zur intelligenten Wärmerückgewinnung in KI-betriebenen Rechenzentren um. Die ETAOne® -Plattform von etalytics nutzt künstliche Intelligenz, um Kühl- und Energieflüsse proaktiv zu steuern und stabile Temperaturen aufrechtzuerhalten — auch bei stark schwankender Belastung.

Die Direct Liquid Cooling-Technologie von Rittal leitet die Wärme direkt am Chip ab und ermöglicht so die Rückgewinnung höherwertiger Abwärme im Vergleich zu herkömmlichen luftgekühlten Systemen. Da die direkte Flüssigkeitskühlung die Abwärme leichter zur Wiederverwendung zugänglich macht, unterstützt sie die Integration in Fernwärme- oder industrielle Prozesswärmenetze, möglicherweise über Wärmepumpen. Dadurch kann Abwärme gezielt als Energieressource genutzt werden, sodass Rechenzentren aktiv an der Energiewende mitwirken können.

Herausforderungen und Rahmenbedingungen

Aufgrund der vergleichsweise niedrigen Abwärmetemperaturen (25—30 °C bei Luftkühlung, bis zu 60 °C bei Flüssigkeitskühlung) müssen Wärmepumpen sie auf nutzbare Vorlauftemperaturen (>60 °C) anheben. Die Entfernung zum Einsatzort, die Volatilität der Abwärme aufgrund der variablen Serverlast und die Integration in bestehende Gebäudestrukturen stellen erhebliche Herausforderungen dar.

Rechtliche Anforderungen und Genehmigungsverfahren sind in vielen Regionen immer noch unzureichend entwickelt. Hohe Anfangsinvestitionen und Unsicherheiten bei der langfristigen Vertragsgestaltung behindern Projekte. Klare Verwaltungsmodelle und standardisierte Verträge sind für die Risikoverteilung und die Versorgungssicherheit erforderlich.

Technisch erprobte Referenzdesigns, die modulare „Plug-In“ -Konzepte mit Flüssigkeitskühlung und Wärmepumpen kombinieren, sorgen für Planungssicherheit und minimieren Risiken. Die Überwachung der Wärmeströme und des Energy Reuse Factor (ERF) ist unerlässlich.

Der Erfolg hängt von einer engen Zusammenarbeit zwischen Betreibern, Stadtwerken und lokalen Behörden ab. Partnerschaften zwischen öffentlichem und privatem Sektor und koordinierte Lenkungsausschüsse ermöglichen einen effektiven Informationsaustausch und eine effektive Verteilung der Zuständigkeiten.

Vorteile und Mehrwert

Die Wärmerückgewinnung aus Rechenzentren kann den Einsatz fossiler Brennstoffe zum Heizen erheblich reduzieren. Große Rechenzentren erzeugen kontinuierlich Abwärme in der Größenordnung von mehreren zehn Gigawattstunden pro Jahr, die zurückgewonnen und in Fernwärmenetze eingespeist werden kann. Bei entsprechender Skalierung hat diese Wärmeabgabe das Potenzial, die konventionelle Wärmeerzeugung für eine beträchtliche Anzahl von Haushalten zu verdrängen, was zu einem geringeren Verbrauch fossiler Brennstoffe und zu geringeren Emissionen beiträgt.

Die Wärmerückgewinnung senkt die Betriebskosten durch effizientere Kühlung und erschließt Umsatzpotenziale durch den Verkauf von Wärme. Subventionen und Steueranreize können die Amortisationszeiten auf nur wenige Jahre verkürzen. Darüber hinaus erhöht das verbesserte ESG-Rating die Gesamtattraktivität des Standorts.

Die lokale Wärmeversorgung von Gebäuden wie Schulen oder Krankenhäusern leistet einen sozialen Beitrag und erhöht die Akzeptanz in der Öffentlichkeit.

Systemische Ansätze mit gesetzlicher Verpflichtung zur Abwärmenutzung und kommunale Wärmeplanung sind von entscheidender Bedeutung. Standardisierte, modulare Systeme mit offenen Schnittstellen und skalierbaren Wärmepumpen verbessern die Integrationsmöglichkeiten. KI-gestütztes Energiemanagement und automatische Netzsteuerung erhöhen die Effizienz und Betriebssicherheit bei großflächigen Rollouts.

Additional Links

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Azura Consultancy. (n.d.). Data center heat reuse – Engineering consultants. https://www.azuraconsultancy.com/data-center-heat-reuse/

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Data Center Group. (n.d.). Waste heat recovery from data centers. https://datacenter-group.com/en/news-stories/article/waste-heat-recovery-from-data-centers/

AQUATHERM GmbH. (n.d.). Using waste heat from data centres: Turning digital heat into community warmth. https://blog.aquatherm.de/en/using-waste-heat-from-data-centres-turning-digital-heat-into-community-warmth

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Uptime Institute Intelligence. (2025). Heat reuse: A management primer.
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Microsoft. (2025). Surplus datacenter heat will be repurposed to heat homes in   Denmark. Microsoft Local. https://local.microsoft.com/blog/datacenter_heat_repurposed

Invest in Denmark. (2024). Microsoft data centre set to provide surplus heating for 6,000 Danish homes. Invest in Denmark.
https://investindk.com/cases/microsoft-data-centre-set-to-provide-surplus-heating-for-6-000-danish-homes

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https://eutech.org/harnessing-waste-heat-from-data-centers-driving-sustainability-and-compliance-in-europe/